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Gemeinsam LEBEN lernen

Schülerin von St. Ursula beim Sächsischen Geschichtscamp



11. Sächsisches Geschichtscamp in Torgau
Ein Bericht von Lina Eckhold, Klasse 10 Gb

Vom 19. bis zum 23.September 2022 fand zum elften Mal das Sächsische Geschichtscamp statt.

Dort wurden verschiedene Aspekte der DDR-Geschichte in Projekten, Vorlesungen oder an Gedenkstätten untersucht. Jugendliche aus Baden-Württemberg, Sachsen und auch vereinzelt aus anderen Bundesländern kamen am Montag, dem 19. September, in Torgau an. Zuvor hatten sie sich gegen Ende des vergangenen Schuljahres für die vom sächsischen Landesamt für Schule und Bildung organisierte Veranstaltung eigenständig beworben oder hatten die Möglichkeit durch die Teilnahme am Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten erhalten.

Torgau mag für Viele kein Begriff sein, hat allerdings in seiner über tausendjährigen Geschichte schon als Zentrum Europas gegolten. Besondere Bedeutung kam der Stadt während der Reformation zu. Diese und viele weitere spannende Informationen wurden während einer anschaulichen Stadtführung am ersten Abend von Torsten Alf erzählt.
Torgau hat hinsichtlich des Geschlossenen Jugendwerkhofs Torgau und Fort Zinna eine einmalige Position in der deutsch-deutschen Geschichte während des Kalten Krieges. Mit eben dieser stadtgebundenen Historie haben sich die Jugendlichen auseinandergesetzt.

So führte ihnen etwa ein Vortrag von Dr. Steffi Lehmann am nächsten Morgen vor Augen, wie das autoritäre DDR- Regime gegen Gleichaltrige vorging, wie auf penible und paranoide Weise kleinste Akte der Emanzipation oder nur des Anders-Seins verfolgt und bestraft wurden.
Nach jenem eindrucksvollen Auftakt wurden die unterschiedlichen Projektgruppen eingeteilt, die über die folgenden Tage Gesichtspunkte des repressiven Erziehungsapparates in der DDR recherchieren würden und schlussendlich eine informative Präsentation halten sollten. Die Workshops beinhalteten Gebiete der Denkmalpflege, von jugendlichen Subkulturen oder dem in der DDR existenten Rechtsextremismus. Die Präsentationen stellten sich im Übrigen als pure Unterhaltung heraus.

Nachdem man sich am gleichen Nachmittag zum ersten Mal in den Projektgruppen getroffen hatte, hielt Dr. Müller-Enbergs einen Vortrag über die exekutiven Methoden, die von Polizei und Ministerium für Staatssicherheit bei der Verfolgung der eigenen Bürger angewandt wurden.

Am 21. September besuchten die Jugendlichen die Gedenkstätte des Geschlossenen Jugendwerkhofes Torgau und Fort Zinna. Beide Einrichtungen wurden für internierende Zwecke von verschiedenen Regimes genutzt:

So war Fort Zinna zunächst ein preußisches Militärgefängnis und im Dritten Reich das größte und modernste Gefängnis für Deserteure und andere „Zersetzer der Wehrmacht“. Über eintausend Todesurteile wurden in Torgau vom dort (seit 1943) ansässigen Reichskriegsgericht gefällt.
Während der sowjetischen Besatzung wurden im Speziallager Nr. 8 und Nr. 10 unter anderem Personen festgehalten, die verdächtigt wurden, Spione oder (ehemalige) Nationalsozialisten zu sein.
Unter DDR- Führung fand in Fort Zinna primär politischer Strafvollzug statt, sogenannte „feindlich-negative Elemente“ sollten hier für versuchte Republikflucht, kritische Meinungen oder wiederholtes „Rowdytum“ bestraft werden.
Zwei Gedenkstätten erinnern an die in Gefangenschaft Verstorbenen und das Geschehene Unrecht im Namen des Nationalsozialismus und Stalinismus. Heute ist Fort Zinna eine zivile Justizvollzugsanstalt.

Der geschlossene Jugendwerkhof Torgau befindet sich im Gebäude eines ehemaligen Jugendgefängnisses. Das Ministerium für Volksbildung betrieb dieses Speziallager als Institution der DDR-Jugendhilfe. Auffällige Kinder und Jugendliche sollten mit grausamsten Methoden zu „sozialistischen Persönlichkeiten“ umerzogen werden.

Gerald Pochop erzählte am nächsten Abend von seiner Realität als Jugendlicher in der DDR und machte damit das über die letzten Tage theoretisch Erlernte greifbar. Er war Punker. Punk war in der DDR eine eher unpolitische Subkultur, deren Mitglieder mit Musik, selbst gehäkelten Tanktops, Aufnähern und Nieten an den Jacken ihrer Frustration Luft machen wollten. Jener Ausdruck von Individualität war im paranoiden Überwachungsstaat allerdings schon eine aktive politische Bedrohung. Gerald Pochop erinnerte sich mit musikalischer Untermalung an Konzerte in Kirchen, seine Begegnungen mit der Stasi und den Verrat durch Spitzel in seinem Bekanntenkreis.

Letztendlich wird kein Bericht den Eindrücken gerecht, die man in Torgau sammeln kann. Die Lehren, die aus Torgau als stellvertretendes Symbolbild für Unterdrückung gezogen werden können, führen vor Augen, wie wertvoll und gleichzeitig wie zerbrechlich Freiheit und Demokratie sind.
Die Aufarbeitung der dort geschehenen Verbrechen und das Erinnern an Vergangenes ist nur durch engagierte und interessierte Mitarbeiter des Camps, Lehrer und Zeitzeugen möglich. Ihre Arbeit ermöglicht der nächsten Generation, Geschichte zu verstehen, aus ihr zu lernen und auch zukünftig Demokratie, Freiheit und Würde zu schützen.


Foto: Lina Eckhold

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